CO₂-Bilanzierung in der Live-Kultur: Der neue CO₂-Kulturstandard nach KBK/KBK+ schafft Orientierung

Publiziert am 18.07.2025

Warum Klimabilanzierung auch in der Live-Kultur an Bedeutung gewinnt

Ob Clubshow, Konzertreihe oder Veranstaltungsort mit laufendem Betrieb – für Akteur:innen der Live-Kultur ist Nachhaltigkeit längst mehr als ein Ideal. Die Klimakrise ist Realität, steigende Energiepreise und wachsende Erwartungen von Förderinstitutionen, Mitwirkenden und Publikum setzen viele Veranstalter:innen unter Handlungsdruck. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein dafür, dass auch die Live-Kultur Verantwortung trägt – als öffentlicher Resonanzraum, als sozialer Treffpunkt und als kreatives Labor für eine nachhaltige Zukunft.

Doch wie wird man in der Praxis konkret handlungsfähig? Der erste Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Transformation ist die Kenntnis über den eigenen CO₂-Fußabdruck. Nur wer die eigenen Emissionen kennt, kann gezielt reduzieren. Was es dafür braucht: verständliche, realistische und einheitliche Werkzeuge – genau hier setzt der neue CO₂-Kulturstandard nach KBK/KBK+ an.

Was ist der CO₂-Kulturstandard – und was bringt er der Live-Kultur?

Der CO₂-Kulturstandard wurde 2023 im Auftrag der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg entwickelt. Initiiert wurde dieser Prozess durch die Konferenz der Kulturministerinnen und Kulturminister, die einen großen Wunsch nach einem bundesweit einheitlichen Rahmen zur Ermittlung von Treibhausgasemissionen im Kulturbereich haben. Die Entwicklung des CO₂-Kulturstandards wurde im Oktober 2023 von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden ausdrücklich begrüßt.

Die Entwicklung erfolgte in engem Austausch mit Kulturdachverbänden, der ad-hoc AG „Green Culture“ des Kulturausschusses der Kulturministerkonferenz und Expert:innen für Klimabilanzierung. In der Expert:innengruppe haben u. a. der Deutsche Bühnenverein, unisono – Deutsche Musik- und Orchestervereinigung, das Umweltbundesamt sowie die Kulturstiftung des Bundes mitgewirkt.

Die Grundlage des CO₂-Kulturstandards ist das international anerkannte Greenhouse Gas Protocol, das in einem intensiven Standardisierungsprozess speziell auf die Bedürfnisse kultureller Einrichtungen übertragen wurde. Ziel war es, möglichst große Wirkung bei überschaubarem Aufwand zu erzielen – praxisnah, verständlich und vergleichbar.

 

Für wen ist der CO₂-Kulturstandard geeignet – und wo liegen die Grenzen?

Für Akteur:innen der Live-Kultur gilt: Der Standard ist besonders dann sinnvoll, wenn der Betrieb an einem festen Standort erfolgt – etwa bei Clubs, Veranstaltungshäusern, Konzerthallen oder anderen dauerhaft genutzten Kulturorten. Voraussetzungen sind ein festes Gebäude und die Datenerhebung über ein volles Kalenderjahr.

Temporäre Formate wie klassische Festivals, Tourproduktionen oder Pop-up-Events lassen sich dagegen aktuell nicht standardkonform nach KBK bilanzieren. Ihre CO₂-Emissionen entstehen punktuell, unter stark variierenden Bedingungen und oft ohne dauerhaft verfügbare Verbrauchsdaten – das macht eine standardisierte Bilanzierung nach KBK derzeit nicht praktikabel. Für diese Formate sind künftig spezifische Erweiterungen oder angepasste Tools denkbar.

 

Was kann der CO₂-Kulturstandard konkret leisten?

Der CO₂-Kulturstandard hilft, zentrale Emissionsquellen sichtbar zu machen – z. B. Strom- und Wärmeverbrauch, Mobilität von Publikum und Mitarbeitenden oder relevante Stoffströme. Die Emissionsquellen werden systematisch in Themenbereiche gegliedert, was besonders für Veranstaltungsprofis den Einstieg erleichtert.

Es gibt drei Stufen der Bilanzierung bzw. Zertifizierung:

KlimaBilanzKultur (KBK) (Basis): niedrigschwellige Erfassung zentraler Emissionen (v. a. Energie & Mobilität)

KlimaBilanzKultur+ (KBK+) (Erweitert): zusätzliche Bereiche wie Anreise des Publikums, relevante Stoffströme (Abfall) oder IT-Dienstleistungen

Beyond Carbon: Umweltwirkungen, die nicht direkt CO₂-relevant sind (z. B. Papier- oder Wasserverbrauch)

Ein zentrales Thema in der Live-Kultur sind Scope-3-Emissionen – also Emissionen, die indirekt durch Veranstaltungen entstehen, z. B. durch An- und Abreise des Publikums, Gastkünstler:innen oder Logistik. Gerade diese machen oft den größten Anteil aus. Bei KBK und KBK+ können diese erfasst werden, z. B. durch stichprobenbasierte Erhebung des Modal Splits – d.h. der Aufteilung des Personenverkehrs auf verschiedene Verkehrsmittel – und der Anreisedistanzen. Veranstaltende tragen Verantwortung und haben gleichzeitig das Potenzial, durch Kommunikation, Anreize und Strukturen klimafreundlicheres Verhalten zu fördern – ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu ganzheitlichen Reduktionsstrategien.

 

Bilanzierungsstufen KBK

Einfacher Einstieg mit dem CO₂-Kulturrechner

Zur Anwendung steht ein kostenloses Excel-Tool zur Verfügung: der CO₂-Kulturrechner. Er führt Nutzer:innen durch den Bilanzierungsprozess, bietet nachvollziehbare Berechnungen durch einsehbare Emissionsfaktoren (auf Basis u. a. des Umweltbundesamts) und lässt sich an eigene Bedarfe anpassen. Die Methodik ist offen, der Rechner kann auch von Entwickler:innen erweitert werden.

Für Veranstaltungsstätten der Live-Kultur mit festem Betrieb ist der CO₂-Kulturrechner ein sehr guter Einstieg in die CO₂-Bilanzierung – und eine fundierte Grundlage für strategische Nachhaltigkeitsarbeit.

Downloads und weiterführende Links:

Weiterführende Infos zum CO₂-Kulturstandard mit Downloads Kulturrechner und Handbuch

Perspektiven Klimabilanzierung (Online-Einführung in die Klimabilanzierung)

Sprechstunde der Green Culture Anlaufstelle zur CO₂-Bilanzierung und weiteren Themen

 

Warum sich die Beschäftigung mit CO₂-Bilanzen jetzt lohnt

Immer mehr Förderprogramme setzen auf transparente Nachhaltigkeitsstrategien. Auch Publikumsansprüche wandeln sich. Wer jetzt beginnt, Bilanzdaten zu erheben, verschafft sich nicht nur Klarheit über den eigenen CO₂-Fußabdruck – sondern auch einen strategischen Vorteil für die Zukunft.

Der CO₂-Kulturstandard nach KBK/KBK+ ist ein praxisnahes Werkzeug, das diesen Einstieg erleichtert: kostenfrei, standardisiert, anschlussfähig. Wer Nachhaltigkeit glaubwürdig und systematisch verankern will, findet hier eine verlässliche Grundlage.

 

Fazit: Ein Standard für die Praxis – auch in der Live-Kultur

Der CO₂-Kulturstandard ist kein bürokratisches Monster, sondern ein pragmatisches Werkzeug. Für alle Veranstaltungsorte der Live-Kultur mit dauerhaftem Betrieb kann er zum zentralen Hebel für Klimaschutz und langfristige Transformation werden.

Live-Kultur kann laut, wild, leise oder vielstimmig sein. Aber sie kann auch klimabewusst sein – und mit dem KBK gibt es dafür jetzt ein Werkzeug, das wirklich in der Praxis ankommt.

 

Bild Klima Bilanz

Über die Green Culture Anlaufstelle

 Die zentrale Green Culture Anlaufstelle vermittelt einen aktuellen Überblick über Aktivitäten zur ökologischen und klimagerechten Transformation. Sie bietet Kompetenzen, Wissen, Daten, Beratung sowie Ressourcen an und soll Kultureinrichtungen in Deutschland dabei helfen, das Ziel der Klimaneutralität spätestens bis 2045 zu erreichen. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit weiteren Akteur:innen, Institutionen und Verbänden. Auf diese Weise entsteht ein übergreifendes Angebot für Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen in Kultureinrichtungen und zur Bekämpfung der Klimakrise.