Lobbyarbeit, Interessenvertretung und Netzwerkaufbau in der Livekultur
Die Livekultur – insbesondere Clubs und Livemusikspielstätten – ist ein wichtiger Teil der kulturellen Vielfalt. Der Beitrag beleuchtet, wie Lobbyarbeit, Interessenvertretung und Netzwerkaufbau helfen, die politische und gesellschaftliche Anerkennung der Branche zu stärken, Herausforderungen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu begegnen und ihre Relevanz als Ort des künstlerischen Ausdrucks und gesellschaftlichen Zusammenhalts zu sichern.
Die Livekultur, insbesondere die Clubkultur und Livemusikspielstätten, ist ein wesentlicher Bestandteil der kulturellen Vielfalt in Deutschland. Sie bietet nicht nur eine Bühne für aufstrebende Künstler:innen, sondern fungiert auch als demokratischer Raum für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Trotz ihrer Bedeutung wird die Livekultur oft als “schwaches Interesse” wahrgenommen, was ihre Vertretung in politischen und gesellschaftlichen Prozessen erschwert. Daher sind Lobbyarbeit, Interessenvertretung und Netzwerkaufbau für die Branche von entscheidender Bedeutung.
Historische Entwicklung und aktuelle Herausforderungen
Die professionelle Förderung und Interessenvertretung der Livekultur in Deutschland begann Mitte der 1980er-Jahre mit der Gründung erster Musikinitiativen und Rockbüros (Woog 2008). Seitdem haben sich zahlreiche Initiativen und Interessenverbände auf verschiedenen Ebenen etabliert, um die Belange der Musikwirtschaft zu vertreten.
Die Corona-Pandemie stellte die Branche vor beispiellose Herausforderungen und verdeutlichte die Notwendigkeit einer starken Interessenvertretung. Ein bundesweites Betriebsverbot für Musikspielstätten führte zu einer existenzbedrohenden Situation für viele Akteur:innen der Livekultur (Deutscher Musikrat 2020).
Strategien der Interessenvertretung
- Argumentationsmacht und Rechtfertigungsfähigkeit
Da es der Livekultur als schwachem Interesse an traditionellem Drohpotenzial mangelt, sind Argumentationsmacht und Rechtfertigungsfähigkeit von zentraler Bedeutung (Clement et al. 2010, S. 14). Die Branche muss ihre Relevanz für die kulturelle Vielfalt, die Förderung junger Talente und den gesellschaftlichen Zusammenhalt überzeugend darstellen.
Beispiel: Das Fusion Festival hat seine Bedeutung für die Region Mecklenburg-Vorpommern durch wirtschaftliche Studien belegt, um Unterstützung von der Landesregierung zu erhalten: https://www.dokumentation.landtag-mv.de/parldok/dokument/43920/festival_fusion_kulturelle_freiraeume_bewahren.pdf - Öffentliche Anerkennung und Wertevermittlung
Die Anerkennung der Livekultur in der Öffentlichkeit ist ein Schlüsselfaktor für erfolgreiche Interessenvertretung (Clement et al. 2010, S. 14). Dabei ist es wichtig, die Werte der Branche zu vermitteln, wie:
- Förderung kultureller Vielfalt
- Schaffung von Räumen für künstlerischen Ausdruck
- Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt
- Unterstützung aufstrebender Künstler:innen
Beispiel: Die Clubcommission Berlin veranstaltet regelmäßig den "Tag der Clubkultur", um die kulturelle und soziale Bedeutung von Clubs in der Stadt zu demonstrieren: https://www.clubcommission.de/tag-der-clubkultur-2024-berliner-clubs-und-kollektive-als-leuchttuerme-in-unsicheren-zeiten/ - Professionalisierung und Expertise
Zivilgesellschaftliche Interessenverbände wie die LiveMusikKommission (LiveKomm) spielen eine entscheidende Rolle bei der Vertretung der Livekultur (Kleinfeld et. al. 2007, S. 20). Durch Professionalisierung und den Aufbau von Expertise verschaffen sie sich Zugang zu politischen Verhandlungsprozessen und erhöhen ihr Wirkungsvermögen.
Beispiel: Die Konferenz “Stadt Nach Acht” hat sich als wichtige Plattform für Branchentreffen und Weiterbildung in der Nachtkultur etabliert: https://2024.stadt-nach-acht.de/
Netzwerkaufbau und -pflege
- Branchenübergreifende Kooperationen
Der Aufbau von Netzwerken innerhalb und außerhalb der Branche ist essenziell. Kooperationen mit anderen Kulturbereichen, aber auch mit Wirtschafts- und Bildungseinrichtungen können die Position der Livekultur stärken. - Politische Kontakte
Die Pflege von Beziehungen zu politischen Entscheidungsträgern auf kommunaler, Landes- und Bundesebene ist unerlässlich. Regelmäßiger Austausch und die Einladung zu Veranstaltungen können das Verständnis für die Belange der Branche fördern. - Medienpartnerschaften
Eine gute Zusammenarbeit mit Medien kann dazu beitragen, die Sichtbarkeit und das öffentliche Verständnis für die Livekultur zu erhöhen. Dies unterstützt die Legitimation der Branche in der Gesellschaft.
Beispiel: Die LiveMusikKommission (LiveKomm) als Branchenverband sowie die Vielzahl an Landesverbänden pflegen systematisch Kontakte zu politischen Entscheidungsträger:innen auf Bundes- und Landesebene. Ebenso ist die LiveKomm Mitglied im Deutschen Musikrat, wie auch Landesverbände Mitgliedschaften in Landesmusikräten halten.
Herausforderungen und Zukunftsperspektiven
Die Livekultur steht vor der Aufgabe, ihre Position als relevanter Teil der Kulturlandschaft weiter zu festigen. Dabei gilt es, folgende Aspekte zu berücksichtigen:
- Digitalisierung: Die Integration digitaler Formate und Technologien in die Livekultur bietet neue Möglichkeiten, bringt aber auch Herausforderungen mit sich.
- Nachhaltigkeit: Die Entwicklung umweltfreundlicher Konzepte für Veranstaltungen wird zunehmend wichtiger.
- Diversität und Inklusion: Die Livekultur muss sich als Ort der Vielfalt und des respektvollen Miteinanders weiterentwickeln.
Fazit
Lobbyarbeit, Interessenvertretung und Netzwerkaufbau sind für die Zukunftsfähigkeit der Livekultur von entscheidender Bedeutung. Durch professionelle Vertretung, überzeugende Argumentation und starke Netzwerke kann die Branche ihre Position in der Kulturpolitik und Gesellschaft stärken. Dies ist essentiell, um die vielfältigen Funktionen der Livekultur – von der Förderung künstlerischen Schaffens bis hin zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts – auch in Zukunft erfüllen zu können.
Quellen:
Clement, Ute, Jörg Nowak, Sabine Ruß, Christoph Scherrer. 2010. Einleitung: Public Governance und schwache Interessen. In: Public Governance und schwache Interessen, Hrsg. Clement, Ute et al., 7–23. Wiesbaden: VS, Verlag für Sozialwissenschaften.
Deutscher Musikrat. 2020. First in – last out: Infrastruktur im Musikbereich schützen. https://www.musikrat.de/aktuelles/detailseite/first-in-last-out-infrastruktur-im-musikbereich-schuetzen. Zugegriffen: 23. Dezember 2021.
Kleinfeld, Ralf, Ulrich Willems, Annette Zimmer. 2007. Lobbyismus und Verbändeforschung: Eine Einleitung. In: Lobbying. Strukturen, Akteure, Strategien, Hrsg. Kleinfeld, A. Zimmer, U. Willems, 7–29. Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwiss.
Woog, Paul. 2008. Popmusikförderung in Deutschland – Eine Übersicht. http://www.miz.org/dokumente/woog_popmusikfoerderung.pdf. Zugegriffen: 19. Januar 2025.