VOR GESCHLOSSENER TÜR: Über das Clubsterben in Leipzig
Im Sommer traf ich T. Für ein Interview über das Ende seines Kulturbetriebes 4Rooms. Er war so freundlich ein wenig zu erzählen über die Entwicklung, die er im Leipziger Osten direkt vor seiner Tür beobachten konnte. Und was das für einen Einfluss hatte: Auf seine Gäste, auf das Quartier, auf seinen Veranstaltungsbetrieb und auf ihn. Gemeinsam erörterten wir, auf welcher Seite der Gentrifizierung er eigentlich steht.
Nach der Selbsteinschätzung von T. sieht er sich mit dem 4Rooms als einen Bestandteil des Aufwertungsprozesses, auch wenn er seine Rolle als „ein kleiner Baustein von vielen anderen Sachen“ bezeichnet.
„Es war tatsächlich so, dass günstige Mieten, die dann Kulturschaffende (…) nutzen, um sich was aufzubauen und damit den Stadtteil natürlich attraktiver machen. Zum Beispiel Plagwitz galt ja auch ziemlich lange als Künstlerviertel, ne? Und jetzt ist es das eben nicht mehr so, oder nur in Teilen (...). Und von daher, denke ich, gehören wir mit zu ner Art von Kreativwirtschaft, die es eben nur gibt in einem Bereich, wo auch Platz ist. Wo auch Leute wohnen, die es nicht so haben mit nachts um Eins muss die Musik ausgemacht werden. Also es ist sehr abhängig gewesen, wer da schräg gegenüber wohnt. (…) Die (…) haben das eben akzeptiert als Teil dieses Stadtteils, dass es da auch mal laut sein darf. (...) Natürlich haben wir da mitgeholfen den Stadtteil zu verändern und cooler zu machen (…) und letztendlich da unser eigenes Grab mit geschaufelt.“
Als T. die Kulturkneipe mit Freunden gründete, ist der Leipziger Osten wenig hip, aber günstig. Mit dem 4Rooms leistet er Pionierarbeit im Aufwertungsprozess.
Im Jahr 2005 gab es in Reudnitz außer der Kneipe Substanz noch nicht viel. Die Geschichte des 4Rooms ist unmittelbar verwoben mit der Stadtteilentwicklung des Leipziger Ostens. Die Vergangenheit des Viertels sei „dunkel, dreckig, Reudnitz“ gewesen. „Es gab `n Haufen Baulücken natürlich und viele auch nicht renovierte Häuser. Viele WG-Häuser. Also es gab (…) wesentlich mehr günstigen Wohnraum.“ Mit der Zeit wurde der Leipziger Osten zunehmend beliebter. Ein „stetig steigender Umsatz“ in dem Kulturbetrieb wurde merklich. Aktuell erfreut sich der Bezirk um die Eisenbahnstraße großer Beliebtheit, wegen der Innenstadtnähe, sowie der günstigen Mieten. Trotz des kriminellen Images des Gebietes, wird darin ein unglaubliches Potential erkannt. Der Leipziger Osten ist damit derzeitig der „subkulturelle Hotspot der Stadt“ (HOLM, 2009, 41), der sich von einem „sozialen Brennpunkt hin zum Image eines alternativen Eldorado“ (HOLM, 2009, 41) entwickelt hat. Einige Bereiche des Leipziger Ostens gelten nach wie vor als sozialer Brennpunkt, was aber dem steigenden Zuspruch nur wenig negativ zu beeinflussen scheint.
Das 4Rooms wurde zu einer Zeit gegründet, in der die Aufwertungsprozesse in der Entstehung waren. Günstige Mieten und Freiräume lockten weitere Menschen an, die sich dort niederlassen und entfalten wollten. Im Laufe der dreizehn Jahre Bestehens des 4Rooms änderte sich die Nachbarschaft, das kulturelle Angebot, aber auch der Mietspiegel. Die Aufwertungsprozesse hielten immer noch an, als das 4Rooms im Februar 2018 schließen musste. Der damals neue Besitzer der Immobilie kündigt dem Kulturbetrieb und verkaufte später das Haus an die Stadt und das 4Rooms musste einer Schule weichen, denn in einer wachsenden Stadt und in einem wachsenden Bezirk, sowie bei der allgemeinen demographischen Entwicklung werden Schulen benötigt.
Innerhalb der Stadtteilentwicklung nimmt sich T. weder als „Täter“ noch als „Opfer“ wahr, sondern als etwas dazwischen. Er beobachtet die Geschehnisse, reflektiert sie kritisch, ist aber ohnmächtig gegenüber deren Einfluss, den er selbst mit verursacht und unterstützt hat. T. resümiert ironisch, er hätte lieber „zwölf Eigentumswohnungen im Leipziger Osten kaufen sollen.“
Das 4Rooms ist nur ein Beispiel von vielen Kulturbetrieben, die in jüngster Zeit geschlossen wurden. Das Superkronik (vgl. http://www.frohfroh.de/4509/aus-mit-super) auf der Karl-Heine-Straße wurde 2011 geschlossen, gefolgt von der Industriehalle (vgl. http://www.frohfroh.de/12290/kw-13-samstag-2) in der Erich-Zeigner-Allee im Jahr 2015 und dem Pferdehaus (vgl. http://www.frohfroh.de/22358/its-over-im-pferdehaus) im Westwerk ebenso auf der Karl-Heine-Straße im Jahr 2017. Die Damenhandschuhfabrik (vgl. http://www.lvz.de/Nachrichten/Kultur/Kultur-Regional/Sicherheitsbedenken-Naechster-Leipziger-Clubmuss-schliessen) in Plagwitz schloss im August 2018. Bis Ende Januar 2019 soll das Kulturzentrum So&So in der Theresienstraße zumachen und der TV-Club (vgl. http://www.lvz.de/Leipzig/Lokales/Leipziger-So-So-und-TV-Club-bangen-um-Zukunft-Gebaeudewerden-abgerissen) erwartet die Nicht-Verlängerung des Mietvertrages. Selbst die Distillery (vgl. http://www.lvz.de/Nachrichten/Kultur/Gnadenfrist-fuer-Distillery-Stadt-Leipzig-sieht-keine-Zukunftfuer-Club-Standort-im-Sueden), der älteste Technoclub Ostdeutschlands, und das bekannte sozio-kulturelle Zentrum Werk2 am Connewitzer Kreuz befinden sich auf prekärem Standort, an dem eine Kündigung jederzeit möglich zu sein scheint. Oft sind es neue Immobilienbesitzer, die nach dem Erwerb der Grundstücke und Gebäude den Kulturbetrieben kündigen, um eigene Interessen zu verfolgen. Manche Projekte verstanden sich als Zwischennutzungen, manche wurden gegründet um zu bleiben, mit hohen Investitionen und viel Engagement. Die Zahl der geschlossenen Clubs übersteigt um ein Vielfaches die Zahl der Neugründungen. Derzeitig versucht sich der Verband IG Livekommbinat (vgl. https://livekommbinat.de/), als regionaler Vertreter des Bundesverbandes Livekomm (vgl. https://www.livekomm.org/), für den Schutz und Erhalt der Clubkultur stark zu machen. Manche Clubschließungen gehen mit Protesten einher, bei manchen, wie dem 4Rooms, nicht. Die Gründe sind unterschiedlich.
Im Sommer 2018 konnte nicht nur die Sperrstunde in Leipzig aufgehoben werden, es wurde auch mehrfach demonstriert für den Erhalt der Freiräume und den Schutz der Clubkultur. Auf der GSO – Global Space Odyssee und auf der Tanz-Demo anlässlich der drohenden Schließung des So&So´s kamen mehrere Tausend Menschen auf die Straße. Andere Initiativen, wie „Leipzig für alle“ und „Stadt für alle“ machen durch Demonstrationen auf die Verdrängung von Mieter:innen durch Gentrifizierung aufmerksam. An vielen Stellen übt man das Aufbegehren, es wird sich zeigen in wie weit es Erfolg haben wird.
Erstveröffentlichung 2019 im Transit Magazin