Novellierung im Baurecht: Neueinordnung und Schutz von Musikclubs vertagt
- Thore Debor
Der Beitrag skizziert die rechtliche Einordnung von Musikclubs im Rahmen der Baunutzungsverordnung. Es wird aufgzeigt, wie der politische Prozesse zur Novellierung der BauNVO bis zum Ende der Ampel-Koalition verlief und welche Hürden für eine verbesserte Zulässigkeit von Clubs in verschiedenen Baugebieten existieren.
Ein Beitrag von Thore Debor (Vorstand LiveMusikKommission, kurz: LiveKomm, Geschäftsführung Clubkombinat Hamburg)
Die Baunutzungsverordnung (BauNVO) in Deutschland regelt die Nutzung von Grundstücken und Gebäuden. Sie legt fest, welche Nutzungsarten in bestimmten Gebietstypen erlaubt sind, und trägt somit zur Organisation von Stadtplanung bei. Bei der Ansiedlung von Musikclubs und deren Anerkennung als Kulturstätten in der Stadtentwicklung spielt die Baunutzungsverordnung eine wichtige Rolle. Bislang existiert seitens der Gesetzgebung keine unterscheidende Definition für Musikclubs und Vergnügungsstätten. Laut eines Sachstands der Wissenschaftlichen Dienste im Deutschen Bundestag (2018) gelten Vergnügungsstätten nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum als Sonderform von Gewerbebetrieben, bei denen die kommerzielle Unterhaltung von Besuchern und Kunden im Vordergrund steht. Deren Zulässigkeiten in bestimmten Gebieten sind gesondert von Gewerbebetrieben geregelt. Wesentlich für die Frage der Zulässigkeit ist, dass nach der Systematik der Baunutzungsverordnung eine Vergnügungsstätte nach Vorstellung des Gesetzgebers regelmäßig mit städtebaulich nachteiligen Auswirkungen verbunden ist. Vergnügungsstätten sind lediglich in Mischgebieten und in Kerngebieten allgemein zulässig. In den anderen Baugebietstypen sind sie bislang nur ausnahmsweise (Besondere Wohngebiete, Dorfgebiete, Urbane Gebiete und Gewerbegebiete) – beziehungsweise nicht (Allgemeine Wohngebiete, reine Wohngebiete, Kleinstsiedlungsgebiete und Industriegebiete) - vorgesehen. In Deutschland sind die Kommunen für die Aufstellung von Bebauungsplänen zuständig. Über die Frage der Zulassung einer ausnahmsweisen Ansiedlungserlaubnis von Vergnügungsstätten entscheidet in B-Planverfahren in der Regel ein Bau- und Planungsausschuss. In Deutschland gibt es derzeit rund 11.000 Kommunen (Gemeinden, Landkreise und Kreisfreie Städte).
Clubs sind baurechtlich immer noch nicht als Kulturorte anerkannt
Ein Meilenstein bei der Reform für eine zeitgemäßen Kulturbegriff in Bezug auf Musikclubs war der Entschließungsantrag im Deutschen Bundestag vom Mai 2021. Damals forderte ein fraktionsübergreifender Beschluss mit Zustimmung der Fraktionen aus CDU/CSU, SPD, GRÜNE, FDP und LINKE die Bundesregierung u.a. auf, dass diese „die Baunutzungsverordnung dahingehend anpasst, dass Clubs und Livespielstätten mit nachweisbarem kulturellen Bezug nicht mehr als Vergnügungsstätten, sondern als Anlagen für kulturelle Zwecke definiert werden.“ (Punkt 9)
Nach der Willensbekundung des Parlaments wurde dies von der Exekutive jedoch nicht umgesetzt. Bauminister Seehofer ließ bis zum Regierungswechsel den Punkt unbehandelt bzw. setzte lediglich (Punkt 8) eine Fachkommission der Länder ein, die eine Handreichung zur baurechtlichen Einstufung von Musikclubs formulierte.
Es folgten zahlreiche Berichterstattungen (siehe u.a. Tagesthemen), die fälschlicherweise die Anerkennung der Clubs als Kulturorte bereits verkündeten.
Aktivitäten der Ampel-Koalition
Nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 griffen SPD, GRÜNE und FDP im Koalitionsvertrag diesen Status auf und formulierten das Ziel: „Die TA Lärm werden wir modernisieren und an die geänderten Lebensverhältnisse in den Innenstädten anpassen, um Zielkonflikte zwischen Lärmschutz und heranrückender Wohnbebauung aufzulösen. Wir erkennen für Clubs und Livemusikspielstätten ihren kulturellen Bezug an. Für beides werden wir die Baunutzungsverordnung und TA Lärm anpassen.“ (…) „Clubs und Livemusikstätten sind Kulturorte. Wir sichern kulturelle Nutzungen in hochverdichteten Räumen und unterstützen Investitionen in Schallschutz und Nachhaltigkeit.“
Nach längeren Verhandlungen/Gesprächen sollte das Vorhaben zur angestrebten Besserstellung für Musikclubs und eine Unterscheidung zu Vergnügungsstätten mit der Novellierung der Baunutzungsverordnung, innerhalb des Gesetzesvorhaben zur integrierten Stadtentwicklung verankert werden. Im Sommer 2024 veröffentlichte das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen (BMWSB) den Referentenentwurf. Danach meldeten etliche Stellungnahmen von Verbänden (u.a. der Deutsche Musikrat) Änderungsbedarfe an und folgten weitestgehend der formulierten Position der LiveKomm.
Der Kabinettsentwurf nahm nach der Behördenabstimmung nur geringfügig Anpassungen vor und sah vor, dass Musikclubs künftig eine eigene Gebäudekategorie „Musikclubs“ in der BauNVO erhielten und sich damit von Vergnügungsstätten absetzen. Bundeskanzler Scholz und seine Minister:innen brachten Anfang September 2024 mit ihrem Beschluss das Verfahren mit einer erste Lesung in den Bundestag ein. Danach erreichte das Gesetzesvorhaben zur erforderlichen Befassung den Bundesrat.
Dort erfolgte eine kontroverse Auseinandersetzung zwischen den drei Ausschüssen Umwelt (U), Wohnen und Städtebau (Wo) und Wirtschaft (WI): Während die Umweltseite in der Stellungnahme Positionen formulierte, wie „erhebliche Lärmbelästigungen“, „eine ausnahmsweise Zulässigkeit besondere Wohngebiete wird generell abgelehnt“, „Gesundheitsschutz sei nicht zu gewährleisten“ und „es gäbe ein hohes Potenzial für Lärmbeschwerden“ und sogar mit einer „ausnahmsweise Zulässigkeit in Kerngebieten und Mischgebieten“ einen Rückschritt forderte, konterte der Wirtschaftsausschuss mit Formulierungen, wie Musikclubs seien „wichtige Pfeiler des Musikökosystems“, „wichtige Standort- und Wirtschaftsfaktoren“, „Standortqualität“ und “neue Nutzungskategorie Musikclubs wird begrüßt“. Letztlich sprach der Wirtschaftsausschuss sich auch für eine „Erweiterung von Handlungsspielräumen bei Neuansiedlungen (Erweiterung von Zulässigkeiten in verschiedenen Gebietskategorien)“ aus und inkludierte noch einen Prüfauftrag mit der Frage: „Bedarf es einer Definition?“ und schloss mit den Worten, „in Anerkennung ihrer Relevanz gilt es Musikclubs zu unterstützen, die BauNVO nimmt hier eine zentrale Rolle ein.“
Letztlich setzte sich die Wirtschaft im Beschluss zur Stellungnahme des Bundesrats (Drucksache 436/24) vollständig durch.
Mit dem vorzeitigen Ampel-Aus im November 2024 blieb das Gesetzgebungsverfahren jedoch stecken. Ein bedeutendes bundespolitisches Vorhaben für die Clubkultur ist somit vorerst kurz vor der Ziellinie gestoppt.
Auf der Habenseite ist zu verzeichnen, dass erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik auf Ebene der Bundesländer ein weitreichender Konsens in der Bewertung der Clubkultur erfolgte. Auf dieser Basis könnte eine neue Regierung in den nächsten Monaten politisch aufbauen. Wünschenswert wäre, wenn der Verordnungsgeber in dem neuen Anlauf für ein Gesetzgebungsverfahren auch eine rechtssichere Definition für Musikclubs ergänzt.
Flankierend treibt mit Sachsen-Anhalt nach Bremen und Berlin ein Flächenland die Anerkennung der Clubkultur voran und verabschiedete die Beschlussempfehlung "Clubs- und Musikspielsätten sind Orte der Kultur" vom 30. August 2024 im Magdeburger Landtag.
Folgen einer geänderten Einstufung für die Clubs
Eine Änderung der BauNVO mit einer geänderten Einstufung von Musikclubs mit nachweisbarem kulturellen Bezug wäre für die Rechtsprechung und kommunale Praxis vielfach von großen Wert und ein bedeutsames Signal vom Bund an die kommunalen Planungs- und Genehmigungsämter, die Rollen und den Umgang mit Musikspielstätten zu reflektieren und Anpassungen anzugehen. Es wäre auch der sichtbare Vollzug eines Paradigmenwechsels mit einer symbolischen Aufwertung, Prestigegewinn und gesteigerter Wertigkeit, um diesen Orten eine höhere gesellschaftliche Anerkennung zu gewähren.
Etwaige Änderungen der Baugebietsvorschriften wären jedoch "nur" auf künftige Bebauungspläne begrenzt. Bestandsclubs hätten von einer entsprechenden Novellierungen vorerst keine direkten Vorteile. Es könnten sich auch gegenseitige Auswirkungen manifestieren: Wenn Musikclubs in einer eigenen Gebäude/Gebietskategorie geregelt werden, besteht die Gefahr, dass sie grundsätzlich nicht mehr als Anlage für kulturelle Zwecke angesehen werden und in Wohngebieten ihren Bestandsschutz verlieren.
Eine Anpassung würde Kommunen mehr Möglichkeiten bieten, Clubs in mehr Gebieten anzusiedeln. Neugründungen würden dadurch begünstigt, wo es bislang an baurechtlichen Gründen scheitert bzw. Beschränkungen Begrenzung vorsehen. In Zeiten von Raum- und Flächennot und der Nutzungskonkurrenz zum Wohnen sind erweiterte Optionen für Club-Neuansiedlungen besonders erstrebenswert. Jeder Bau- und Planungsausschuss müsste sich aktiv über die Frage der Zulässigkeit mit Musikclubs gezielt befassen.
Der bislang vorgesehene Sonderweg für Musikclubs eine eigene Gebietskategorie zu schaffen (anstatt sie als Anlagen kultureller Zwecke einzustufen) hätte den Nachteil, dass hier Neuland beschritten wird und zunächst Rechtsunsicherheiten bestünden und erst neue Rechtsprechung abgewartet werden müsste. Es ist zudem zu befürchten, dass dieser Sonderweg Clubs zwar von Vergnügungsstätten abgrenzt, Musikclubs als „Kultur zweiter Klasse“ festgeschrieben wären.
FAZIT
Nach dem Vollzug von Anpassungen der sich verändernden gesellschaftlichen Entwicklungen im Baurecht für eine Besserstellung von Musikclubs durch die Politik wäre ein Domino-Effekt auch in weiteren Politikfeldern erwartbar: So würde z.B. die Abschaffung von kommunalen Vergnügungssteuern auf Tanzveranstaltungen ein weiteres Argument erhalten, das der zu verzeichnenden Entwicklung einen zusätzlichen Schub beisteuern kann. Aber auch der Zugang von Musikclubs zu bestimmten Förderungen und steuerlichen Vergünstigungen, die speziell für Kulturstätten vorgesehen sind, wären dann gegebenenfalls erreichbar(er). Ein Hoffnungsschimmer/geschichtliches Vorbild hierzu: Einst galt auch die Volksoper in Wien als Vergnügungsstätte und inzwischen ist sie in die österreichischen Bundestheater aufgenommen.