Rechtliche Lösungen gegen ein „Festivalsterben“
Was gilt bau(-planungs)rechtlich für Festivals? Bisher war unklar, ob Festivals baurechtlich genehmigungspflichtig sind und somit das Bedürfnis eines Bebauungsplans auslösen können. Der Beitrag erklärt die Ausgangslage und zeigt, wie ein neuer Gerichtsbeschluss für eine klare Kursrichtung sorgt. Die Nutzung der Festivalanlagen an nur wenigen Tagen einmal im Jahr ist für die Einstufung als bauliche Anlage nicht ausreichend. Ein „Festivalsterben“ sollte nicht auf das „Clubsterben“ folgen.
I. Einleitung
Hinter einem Festival steht bekanntermaßen ein enormer Planungsaufwand. Erfreulicherweise bringt eine jüngste rechtliche Entwicklung eine klare Kursrichtung in der Diskussion um die Notwendigkeit eines Bebauungsplans für Festivalgelände. Ein „Festivalsterben“ sollte also nicht auf das „Clubsterben“ folgen.
Festivals und ihre baurechtliche Einordnung beschäftigten uns schon lange. Spätestens nachdem eine Kommune in Brandenburg einem seit Jahren am selben Ort stattfindenden Festival infolge fehlenden Baurechts die Nutzung der Fläche untersagte, spitzte sich die Dringlichkeit zu.
Entgegen der Ansicht der Brandenburger Kommune ist das Erfordernis der Aufstellung eines Bebauungsplans rechtlich vermeidbar, denn das Festival benötigt dem Charakter nach schon keine Baugenehmigung.
II. Setzt ein Festival einen Bebauungsplan voraus?
Aber nochmal von vorne: Oft ist durch die Gemeinde mittels eines Bebauungsplans geregelt, was auf einem Grundstück errichtet werden darf. Das Baurecht fordert grundsätzlich für die Errichtung von baulichen Anlagen eine Baugenehmigung. Bauten, die keine baurechtliche Anlage darstellen, benötigen dagegen keine Baugenehmigung; die Gemeinde muss das betroffene Grundstück dann auch nicht mit einem Bebauungsplan versehen. Genehmigungsfrei sind vor allem solche Bauten, die nur temporär aufgebaut werden und damit eine Ungebundenheit zum Grundstück darstellen. Also Festivals, oder?
1. Bisherige Rechtsauffassung
In dem schon genannten Fall forderte die Kommune für die (Acker-)Fläche einen auf das Festival zugeschnittenen Bebauungsplan. Und untersagte auf Grundlage dessen die Nutzung des Geländes mangels Baugenehmigung.
Ein Bebauungsplanerfordernis wäre mit beachtlichen Folgen verbunden, denn so ein Verfahren kostet Zeit, Geld und benötigt Expertise. Die Aufstellung eines Bebauungsplans wäre nur dann geboten, wenn es sich bei dem Festival um eine nicht genehmigungsfreie bauliche Anlage handelt. Festivals sind nur von kurzer Dauer und werden für diese Zeit in lagerartiger Form hochgezogen. Nach ihrem Ende wird der Ort ohne Rückstände wieder verlassen. Um permanente bauliche Vorhaben, die mit Beständigkeit an ihrem Ort verweilen, handelt es sich folglich nicht.
Die unterschiedlichen Bauordnungen der Bundesländer haben dafür unterschiedliche Regelungen. In Hessen und in Bayern wird das Festival als Gesamtanlage explizit unter den Begriff der Zeltlager subsumiert, welche für höchstens zwei Monate errichtet werden und keiner Baugenehmigung bedürfen. In anderen Bundesländern wie Berlin können die einzelnen Zelte, Bühnen und Tribünen unter den allgemeinen Begriff der „fliegenden Bauten“ fallen. Auch diese bedürfen keiner Baugenehmigung. Das Festival als Gesamtanlage ist aber nicht explizit geregelt; das birgt eine gewisse Rechtsunsicherheit.
Auch ein Blick auf den Zweck der Baugenehmigung lässt ein Erfordernis einer solchen zweifelhaft erscheinen. Denn Festivals haben den Charakter einer temporären Großveranstaltung mit baurechtlich wenig Standfestigkeit. Alle weiteren Gefahren sind nicht solche, die von der baulichen Anlage als solche ausgehen, sondern primär von der Anwesenheit und dem Verhalten einer Vielzahl an Personen; ihre Prävention ist somit Teil des Polizei- und Ordnungsrechts, nicht des Baurechts.
2. Bestätigung durch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht
Diese Auffassung wurde nun auch gerichtlich bestätigt. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht entschied durch Beschluss vom 21. August 2024 – 1 ME 121/24, dass Festivalgelände keine baulichen Anlagen darstellen. Denn um dem Begriff der baulichen Anlage gerecht zu werden, muss sich die Nutzung in zeitlicher und räumlicher Hinsicht so verfestigen, dass sie die Grundstückssituation prägt. Für einen objektiven Betrachter müsste sich die Fläche nicht als Freifläche mit temporär abweichender Nutzung, sondern beispielsweise als Ausstellungs- oder Campingplatz darstellen. Nach diesem Maßstab ist das Gericht der Auffassung, dass die Nutzung an nur wenigen Tagen einmal im Jahr – selbst bei längeren Auf- und Abbauphasen – für die Einstufung als bauliche Anlage nicht ausreicht.
Somit bedarf ein Festival keiner Baugenehmigung. Vielmehr müssen sich die Verantalter:Innen öffentlich-rechtlich um die Abstimmungen mit den Sicherheitsbehörden und dem Umweltamt kümmern. Zudem ist es unter zivilrechtlichen Aspekten ratsam, die Nachbarn über das Festival zu informieren und gegebenenfalls Nachbarschaftsvereinbarungen abzuschließen. Sofern das Festivalgrundstück nicht im Eigentum der Festivalbetreiber:Innen steht, sind zudem Miet- oder Pachtverträge abzuschließen.
III. Folgen für die Festivalkultur
Insgesamt ist der aktuelle Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts eine sehr positive Entscheidung für die Festivalkultur. Um dieses Ergebnis, wonach Festivals keiner Baugenehmigung bedürfen, auch gesetzlich festzuhalten erscheint eine Anpassung der Landesbauordnungen sinnvoll. Eine Eingliederung einer solchen Reglung nach dem Vorbild Hessens und Bayerns in die Bauordnungen würde Rechtssicherheit und Aufatmen aller Veranstalter:Innen schaffen.
Herr Dr. Jakub Stein-Brukwicki ist Rechtsanwalt und Gründungsmitglied der Sozietät HELLRIEGEL RECHTSANWÄLTE in Berlin. Für die Mitarbeit an dem Beitrag danke ich Frau Philippa Gercke, die Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei HELLRIEGEL RECHTSANWÄLTE ist.